Es mehren sich die Stimmen, welche die heutige Rolle der
Lehrkraft, der Schule als Ganzes, in Frage stellen. Immer wieder haben Gerichte
zu entscheiden, ob Eltern das Recht zugestanden wird, ihre Kinder selbst zu
schulen. Noch sind es meistens religiöse Gründe, welche hier angeführt werden,
doch kommen immer mehr Begehren dazu, welche die allgemeine Schulpflicht in
Frage stellen.
Als Alternative spricht man dann von Bildungsgutscheinen.
Kinder sollen vom Staate eine Art Check- oder Bon-Heft erhalten und Eltern
können entscheiden, wo und wann diese Bons eingelöst, das Kind ausgebildet
werden soll. Damit würde wohl neben der öffentlichen Schule eine private
Parallelstruktur aufgebaut, eine Art Konkurrenzsituation wäre die Folge. Ja,
bei Jahreskosten von rund 10 000 €/Kind in der Grundschule wittern natürlich
viele ein gutes Geschäft.
Ich bin entschieden gegen diese Pläne, denn sie führen zu
einer weiteren Aufsplitterung und letztlich einem Bildungssystem, in welchem
dann gegen Aufpreis „noch bessere Bildung“ versprochen wird, in Tat und
Wahrheit eine soziale Selektion betrieben wird. Ich meine, die
öffentlich-rechtliche Schule und somit der Staat haben die Pflicht, die Möglichkeit und das
Potential, hochwertige Bildung zu vermitteln und zwar für alle. Daran sollte
nicht gerüttelt werden. Denn das Recht auf bestmögliche Ausbildung ist ein
Grundrecht.
Das heisst nun jedoch nicht, dass die öffentliche Schule
unantastbar ist und behäbig in ihren Strukturen verharren kann. Nein, ganz im Gegenteil: An Stelle von dauerndem Ausbessern mit dem Farbpinsel ist eine konsequente, zeitgemässe Neuorganisation der Grundschule erforderlich.
Abschliessend
möchte ich drei Felder aufzählen,
welche mir zentral erscheinen und einem dauernden Wandel unterworfen sind. So lange diese Bereiche nicht realisiert sind, werden die meisten gut gemeinten Reformen erfolglos verpuffen, da die heutige Schule diesen Anforderungen gar nicht gerecht werden kann.
welche mir zentral erscheinen und einem dauernden Wandel unterworfen sind. So lange diese Bereiche nicht realisiert sind, werden die meisten gut gemeinten Reformen erfolglos verpuffen, da die heutige Schule diesen Anforderungen gar nicht gerecht werden kann.
Lehrerausbildung:
Kompetente Teamplayer sind gefragt
Es wird immer deutlicher, dass neben einer guten
Fachausbildung, Führung, Konfliktmanagement, Flexibilität, Organisation, Offenheit für Neues und dauernde wirkliche
Veränderung, Teamwork im Klassenzimmer und im Schulhaus DIE Schlüsselfunktionen
der Lehrkräfte von morgen sein werden. Ebenfalls gefragt sind eine Streitkultur und Konfliktähigkeit nach allen Seiten. Wenn wir wieder von den Grundstufen der
Volksschule ausgehen, kann die Ausbildung also nicht breit genug sein und: Teamfähigkeit,
Teamwork, aber auch Konfliktfähigkeit sind
Schlüsselkriterien. Hier ist zu fragen, wo und wie die heutige Lehrerausbildung genau diesen Punkten gerecht
wird.
Die optimale
Zusammensetzung des Klassenlehrerteams ergibt
eine Ballung von Kompetenz im Klassenzimmer, welche jederzeit verfügbar,
abrufbar und nicht an irgendwelche
festgesetzte Wochenstunden oder Projektwochen konditioniert ist.
Klassenlehrerteams, welche dieses Potential ohne falsche Eitelkeit voreinander
und im gemeinsamen Interesse um ein spannendes, erfolgreiches Schuljahr nutzen, werden eine tolle Erfahrung machen:
Der Druck „ich muss, aber ich komme nicht dorthin, wo ich eigentlich
sollte/möchte“, fällt weg. Das „ICH“ zählt nicht mehr, das „Wir“, damit
meine ich Team UND Klasse, stehen im
Zentrum und die einzelne Lehrkraft ist ein Rad von mehreren, ein fundamentaler
Wechsel im Berufsbild.
Lehrplan:
Hier haben bereits verschiedene Neuerungen stattgefunden.
Vielfach werden inzwischen weniger Inhalte, stattdessen Fähigkeiten umschrieben. „Kann einen Text
fliessend lesen und ist in der Lage, das Gelesene in wenigen Sätzen schriftlich
zusammenzufassen.“
Ja, um derartige Fähigkeiten geht es. Und jetzt machen wir
uns einmal nichts vor: Von der Grundschule
wird erwartet, dass Schüler in die nächsthöheren Stufen übertreten, welche des
Lesens, Schreibens, Rechnens in den Grundoperationen und Brüchen und einfachen
Textaufgaben, geometrischer Grundkenntnisse mächtig sind. Dazu kommen inzwischen noch rudimentäre
Kenntnisse in einer Fremdsprache, was aber von den Lehrkräften der
übergeordneten Schulstufen eher als Last, denn als Fortschritt gesehen wird.
Immer deutlicher jedoch wird, dass eine Kernkompetenz
übergeordnet verfolgt werden muss: Lesen, Verstehen, Umsetzen und im Anschluss
daran schreiben. Die Pisa-Studie 2009 lässt keinen andern Schluss zu, denn 20%
Schulabgänger des 9. Schuljahres beherrschen Lesen und Schreiben ungenügend. Hier ein Beitrag, in welchem diese Tatsache debattiert wird
Ein schlimmes Szenario, um welches sich die Haushaltsprüfer kümmern sollten und
zwar, indem sie die Frage beantworten, was diese Schulabgänger den Staat während
der nachfolgenden 60 Jahre in etwa kosten werden. (Nachschulung, Arbeitslosigkeit,
Sozialhilfen und Rentenbezuschussung). Angesichts dieser Summen kann Schule
niemals zu teuer sein, im Gegenteil: Mehrausgaben für die Förderung dieser
Kernkompetenz entlasten den Staatshaushalt langfristig. Dies scheint auch die EU erkannt zu haben, denn dieselben Zahlen finden sich Europa weit.
Viele andere Lehrziele: Sozialkompetenz, Eigenverantwortung,
Toleranz, Heimatkunde (was heisst das für ein Kind serbischer oder türkischer
Herkunft?), Geographie usw. usw. sind Selbstdarstellung der Schule. Messen Sie
mal Sozialkompetenz in einer Klasse und beurteilen Sie, ob und dank welchem
Fache das eine Kind sozial kompetent und das andere unkompetent erscheint. Viel
Vergnügen!
Je kindgerechter und aktueller angesetzte Lernprojekte sind, um so höher die Aufmerksamkeit und Motivation der Kinder und um so grösser wird die Chance, dass genau diese Kompetenzen gefördert werden. Das ist eine Grundvoraussetzung, dass die Klasse überhaupt funktioniert und wenn dies nicht
erfolgt, dann ist dies ein Versagen des Klassenlehrerteams.
Tagesstruktur ist ein Beitrag zur Chancengleichheit
Schule, will sie erfolgreich sein, muss auch Strukturen anbieten, in denen Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft dieselben Chancen haben. Dabei ist das Thema lernen und "wie lernen?" klar als Zuständigkeit der Schule zu definieren. Es gilt also, ein Zeitfenster zu schaffen, in welchem Schule, in diesem Sinne verstanden, stattfindet. Unter Einbezug der Tagesstruktur müsste dieses wohl Montag bis Freitag 06:30 - 19:00 abdecken. Für die Grundstufe ist dies ein Muss, will man nicht riskieren, dass dauernd Kinder wegen verschiedenster sozialer Schwierigkeiten durch die Klasse durchrutschen, weil sie mit dem Alltag überfordert sind.
Bevor jetzt protestiert wird, möchte ich zu bedenken geben, dass diese Struktur bereits heute besteht, allerdings dezentral und in nicht ausreichendem Ausmasse. Die Nachfrage übersteigt das Angebot und hier beginnt dann das Thema "unterschiedliche Rahmenbedingungen". Es ginge nun darum, diese verschiedenen Dienste in die künftige Schulplanung räumlich und personell zu integrieren.
Damit wäre die Betreuung im weitesten Sinne während der Woche gewährleistet. Der rein schulische Teil kann zwischen 08:00 - 16:30 abgewickelt werden. Dazu gehört auch das Erledigen der Hausaufgaben. Ziel: Mit dem Verlassen der Schule beginnt wirkliche Freizeit und der alte Zopf, wonach ein 11-jähriges Kind pro Tag durchaus mit 1 1/2 Stunden Hausaufgaben gefüttert werden soll, ist abgeschnitten. Das macht keinen Sinn mehr. Oder arbeiten Sie in einem normalen Beruf abends nach Betriebsschluss noch für Ihren Chef?
Wer nun mit dem Hobby- und Freizeit-Terminplan der Kinder anmarschiert und protestiert, dem sei Folgendes gesagt: Alleine die Tatsache, dass Kinder in der Zeit von 16:30 bis 19 Uhr verschiedensten organisierten Freizeitaktivitäten nachgehen und dann irgendwann nach 20 Uhr noch Hausaufgaben erledigen sollten, ist ein Unding und eine sehr fragwürdige Belastung für Schule und Elternhaus. Damit erfährt Schule nämlich den Stellenwert eines Negativums, welches den Tag von morgens früh bis abends spät allgegenwärtig dominiert. Was für Berufsleute gilt (irgendwann ist Schluss und dann ist Privates angesagt), sollten auch Kinder in Anspruch nehmen dürfen..
Grundschule wird attraktiver, für alle !
Diese drei Eckpunkte zu realisieren, erscheint mir unabdingbar. Die Grundstufe oder Volksschule erscheint damit in einem völlig anderen Licht und zwar für alle Beteiligten.
Da denke ich vor allem an die Lehrkräfte, da sich ihr Job grundlegend verändert und an Attraktivität gewinnen wird.
Gleichzeitig wird Schule für Eltern als feste, planbare Grösse wahr genommen und sie können ihren Alltag und die Freizeitgestaltung der Familie langfristig und konstant organisieren.
Die Kinder selbst werden sich in diesem Rahmen am Schnellsten zurechtfinden, denn sie sind eigentlich von Grund auf neugierig und offen für alles, sofern das Angebot stimmt.
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