Ich erinnere mich an mein erstes
Schulzimmer als Lehrkraft. Ein monumentales , dreistöckiges Sandstein-Schulhaus
aus dem Jahre 1912 thronte da auf einem Hügel. Den Abschluss machte zuoberst ein schmuckes Türmchen. Klassenräume mit rund
90 m2 und eine imposanten Raumhöhe. Beeindruckend.
Was für ein Unterschied zu den
Räumen, in welchen ich noch unterrichtet wurde. Neubau 1960, modellhafte
Architektur in Schweizerkreuzform, in einer ganzen Region umgesetzt, Schulzimmer mit 60 m2 und beinahe dreissig
Schülern. Zwei Quadratmeter pro Kind und
entsprechend war dann auch die Luft im
Raume, wenn zwei Lektionen vorüber waren.
Die Sekundarschule bestand aus einem Altbau aus der Jahrhundertwende und
einem Neubau, in welchem es platzmässig ebenfalls recht eng zu und her ging. Auch hier war im
Winter selbst in den Morgenstunden Gähnen angesagt, wenn die zweite Lektion
sich dem Ende zuneigte. Mit Müdigkeit hatte das nichts zu tun, sehr wohl aber
mit Sauerstoffmangel und zwei Stunden auf dem Stühlchen sitzen.
Gut, damals „floss“ Bildung
massgeblich über die Lehrkraft in unsere Köpfe und als highlight wurde
vielleicht mal eine gigantische Maschine namens Episkop hereingerollt, welche
Bilder aus einem Buch an eine Leinwand projizierte und ganz selten mal konnten
wir im Biologiezimmer des Altbaus mit
der nach hinten erhöhten Fixbestuhlung einen Film anschauen. Das war dann schon
ein grosses Ereignis. Später kamen noch Dia-Serien dazu. Das wars an Technik.
Trotz dieser technischen Einöde, schon damals gab es gute Lehrer, welche zu
fesseln vermochten und andere, welche ihren Stoff herunterspulten.
Die technische Entwicklung
verpasst
Alles, was in den letzten 20 Jahren
technologisch, vor allem für den
Privatgebrauch, an Neuerungen entwickelt wurde
und schnell Flächen deckend verkauft werden konnte, fand nur langsam und
bruchstückhaft den Weg in die
Klassenzimmer. An Stelle eines
Fernsehers/Videogerätes in jedem Klassenzimmer, schuf man einen Medienraum,
welcher pro Woche und Klasse eine oder zwei Lektionen belegt werden
konnte... Vielen Lehrkräften war dies zu blöd, und sie organisierten selbst
Geräte in ihre Schulzimmer, bezahlten diese aus der eigenen Tasche. Sie hatten
erkannt, dass dieses Medium ihren Unterricht häufiger und unmittelbar
bereichern konnte, wenn verfügbar.
Das Computerzeitalter brachte
neben bestimmten Systemkriegen in Lehrerkreisen (Apple oder Windows) erneut die
Diskussion, was sich Schule leisten könne und was nicht. Computerzimmer waren
die Lösung. Man durfte also zwei Wochenstunden in einem separaten Raum am PC
arbeiten. Jede Lehrkraft kennt die Problematik. Schüler beziehen Arbeitsplätze,
PC’s werden eingeschaltet „Sieee, mein Bildschirm geht nicht…“ , „bei mir kommen
nur weisse Zahlen auf schwarzem Grund“, „bei mir passiert gar nichts“ und
irgendwann nach 15 Minuten sind dann alle Geräte einsatzbereit, mit Ausnahme
der Geräte von Fritz und Vreni, welche nun zuschauen dürfen … Nach 25 Minuten arbeiten bleiben noch 10
Minuten bis zur Pause und da sollte man langsam beginnen, die Geräte richtig
runterzufahren, damit nicht Klagen vom
nächsten Benutzer kommen, er hätte im PC-Raum ein Chaos vorgefunden. Kann man Ineffizienz besser beschreiben?
So begannen wiederum verschiedene Lehrkräfte aus eigener Initiative,
drei oder vier ausrangierte PC’s in ihren Schulräumen zu installieren,
einheitlich auszurüsten und mit entsprechenden Lernprogrammen zu bespielen. Das
alles noch ohne Internetanschluss, aber: Mit 4 PC’s war eine komplette
Arbeitsstation für gezielte Übungen oder Partnerarbeiten entstanden. Hier
konnte man die Geräte morgens einschalten und tagsüber waren sie während mindestens 2-3 Stunden benutzt,
Übungseinheiten von 10 – 20 Minuten,
trainiert, geschrieben und es war überprüfbar, was geleistet wurde. Das
Tolle: Dieselben Übungen konnten zu Hause weiter trainiert werden und wieder
gab es ein Protokoll. Nach der ersten
Euphorie gehörte das Arbeiten am PC für die Schüler genauso zum Alltag wie ein
Eintrag im Arbeitsheft.
Inzwischen sind wir bereits wieder
eine Stufe weiter. Internetzugang ist heute Alltag, an Stelle von PC-s kann man
Laptops, Tablets oder OS-Chrome verwenden. Wir können auf ausgeklügelte
Schulnetze zurückgreifen, oder uns durch das Internet pflügen, auf der Suche
nach ganz bestimmten Infos, welche wir benötigen. Gemessen an den Kosten von
Schulbüchern müssten also PC-Arbeitsplätze auf jeden Fall drinliegen. Sie sind
nicht das Mass der Dinge, aber wertvoll,
da vielseitig einsetzbar und robust.
Das Schulzimmer von gestern hat ausgedient
Neue Lehrmethoden werden ja
dauernd entwickelt und an Kursen doziert. Neue Lehrmittel mit neuen
Technologien bereichern in schöner Regelmässigkeit die Lehrmittelbörsen. Trotzdem
bleibt zu fragen, wieviele Prozent aller gehaltenen Lektionen weiterhin im Frontalsystem
abgehalten werden. Meine Eindrücke bis zum Jahre 2004: Der Grossteil aller
Lektionen läuft im klassischen Reihenstuhlung- Lehrervorne-Muster ab (daran
ändert auch die Tatsache nichts, dass die Lehrkraft ihren Pult hinten ins
Klassenzimmer reinstellt, um die Schüler bei Stillbeschäftigung besser
beobachten zu können…). Gründe für diese Monotonie gibt es viele, ein ganz
entscheidender Faktor ist sicherlich die räumliche Begrenzheit.
Es fehlt der Platz, dauerhafte
Lernnischen, Übungsarbeitsplätze etc. einzurichten. So wirkt denn stetes
Improvisieren und Umstellen eher kontraproduktiv und nach einigen solchen
Experimenten neigt man als Lehrkraft dazu, völlig darauf zu verzichten.
Angesichts dessen, dass jedoch künftig mehrere Lehrkräfte gleichzeitig im
Schulzimmer sind, drängt sich eine Neuplanung und –organisation geradezu auf.
Dabei sollte der Anspruch im Vordergrund stehen, dass das Klassenzimmer jegliche Form von Lernen
ermöglichen und vom Konzept her unterstützen muss. (Ausgeklammert vielleicht handwerklicher
Unterricht, also die Fächer Werken und Textiles Gestalten, evt. Musik)
Das neue Schulzimmerkonzept
Wie anders lässt sich doch der
Schulraum gestalten, wenn wir mal von Minimalgrössen um 90 m2 ausgehen.
Neben den 20 -25 Stammplätzen der
SchülerInnen
- besteht
Platz für einen grossen Gruppentisch, mit Platz für bis zu 8 Kinder (oder
2 x 4 Kinder), welche betreut an etwas arbeiten, während der Rest der
Klasse einer anderen Tätigkeit nachgeht.
- besteht
Platz für eine vielleicht von den Schülern selbst gestaltete Lern-Nische,
in welcher kleine Gruppen gemeinsam etwas einüben, einstudieren,
trainieren, lesen.
- Besteht
Platz für 4 PC-gestützte Arbeitsplätze, welche jederzeit zur Verfügung
stehen und für alles Mögliche genutzt werden können.
- Sind
Flachbildschirm mit DVD-Player und Abspielmöglichkeiten für Tonträger
Standard und fix installiert.
- Wird
das Wort Lernnische auch architektonisch langsam umgesetzt oder der neue
Schulraum zumindest mit mobilen Raumteilern bestückt.
- Wohlfühl-Atmosphäre
ist ein wesentlicher Pfeiler bei der Planung von Arbeitsplätzen. Warum
nicht auch in der Schule? Das muss nicht eine einmalige Aktion sein, aber
die Schulräume sollten zumindest die Möglichkeit bieten, dass eine Klasse
und ihr Lehrerteam ihr Reich ihren Bedürfnissen entsprechend gestalten
können und dies nicht als Tagesprovisorium, sondern als modernes, sich
dauernd wandelndes Lernstudio.
- Jugend
bedeutet Entwicklung, Veränderung, alles ist im Fluss. Es wäre toll, wenn
in der Schularchitektur weniger das ausgeklügelte Raumkonzept eines
Architekten Jahrzehnte überdauern und zum Schluss noch unter Denkmalschutz
gestellt wird und stattdessen Raumhüllen entworfen werden, welche ein
Maximum an Flexibilität und individuelle Gestaltung zulassen.
- Dabei
ist auch zu berücksichtigen, dass gerade Quartierschulen innerhalb von
dreissig Jahren mit enorm schwankenden Schülerzahlen zu rechnen haben, so
lange, bis sich der nächste Generationenwechsel vollzogen hat. Schulräume
sollten also temporär auch anders genutzt werden können.
Mit Raumgrössen ab 90 m2 entstehen Lern- und in gewissem Sinne auch
Lebensräume, in welche Lehrerteams und Schüler sehr viel einbringen können.
Wenn nun eben eine Klasse das Gefühl hat, sie möchten zwei Kajütenbetten als
Lesecke im Schulzimmer haben, dann ist dies möglich und wenn die Schüler diese
Betten, evt. mit Hilfe der Eltern auch noch selbst irgendwoher organisieren, so
entsteht da ein ganz wesentliches Stück „Wir“, selbst wenn ich mir als
Lehrkraft andere Leseecken vorstellen könnte. Aber ich lese ja hier nicht… Oder
eine Sitzecke, sei es eine Polstergruppe oder ein Teppich mit Kissen.. oder die
PC-Gruppe als eigenes Büro mit Trennelement.. ja, warum nicht?
Entscheidend ist, dass in
derartigen Klassenzimmern mehrere Arbeitsstationen entstehen, auf welche jederzeit Zugriff
besteht. Diese bestehenden Stationen sind im Bereiche Übungslektion, aber auch
Projektunterricht ungemein wertvoll und ein Muss.
Für das Lehrerteam ergibt sich die
Möglichkeit, mit einer kleineren Gruppe oder Einzelschülern in einem Bereiche
des Zimmers zu arbeiten, ohne dass damit gleich die Klasse abgelenkt ist oder
gestört wird. Individualisierung und betreutes Lernen oder Repetieren sind
keine leeren Floskeln mehr und müssen auch nicht mehr aus dem Schulzimmer an
andere Institutionen ausgelagert werden.
Ist diese Forderung nach
grösseren Schulräumen überrissen? Nein. Skandalös ist, dass bis heute in
verschiedenen Kantonen und Bundesländern tatsächlich noch die 2m2/pro
Kind-Regel in der Schulraumplanung zur Anwendung kommt. Das ist dann der
Schwitzkasten und mit effizientem Lernen hat dies heute nichts mehr zu tun.
Interessante Ideen! Und wohl auch in der Umsetzung relativ simpel machbar. Wäre da nicht die Lehrerschaft... In Zeiten, in der eine Lehrkraft ein Einzelkämpfer ist und nicht bereit ist, als Team aktiv zu werden, wird jegliches Engagement als Überforderung aufgefasst. Und Engagement ist es, was zu dieser Veränderung notwendig ist. Überforderung wäre es nicht, wenn alle an einem Strang ziehen würden. Momentan achtet jede Lehrkraft nur darauf, nicht zuviel zu leisten und die wenigen, die sich für ihre Schüler ins Zeug legen, enden oft tatsächlich in der Überforderung. Neben der Umstrukturierung der Rahmenbedingungen, würde ich eine adäquate Ausbildung für Menschen, die tatsächlich LehrerIn werden wollen, fordern. Ein Studium, das die LehrerInnen dahingehend ausbildet, den Schülern und Schülerinnen pädagogisch sinnvoll etwas beizubringen und nicht im Frontalunterricht zu enden...
AntwortenLöschenDanke für diesen Beitrag - hat mir gut gefallen!
Danke für die Rückmeldung. Möglicherweise müsste man eben auch fragen, inwiefern das heutige Lehrerbildungssystem massgeblich dafür verantwortlich ist, dass sich Lehrkräfte von vornherein damit abfinden, dass sie rund 20% ihrer effektiven Arbeitszeit in Teamarbeit, Schulhausprojekte und Jahres-Projekte investieren, welche ihnen jedoch im eigenen Schulzimmer so gut wie nichts bringen
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