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Neue Bundesländer (3): Bildungsministerien in der Bringschuld !

Schulhaus Unterholz, Hinwil, Schweiz 1.-3.Klasse
In einer Zeit, in welcher Bildung auch auf der Grundschulstufe immer mehr verakademisiert wird, was dann auch Auswirkungen auf die Lehrerausbildung hat, Stichwort Fachlehrersystem auf der Grundstufe, müsste schon die Frage auftauchen, ob sich denn die Menschheit nach den Bedürfnissen der Schule, oder aber diese nach den Bedürfnissen der Gesellschaft zu orientieren hat. Damit meine ich nicht die fachlichen Inhalte, sondern die regionalen und dörflichen Bedürfnisse. Es geht also auch hier um Makro und Mikro und gerade im Bereiche Schule hat das Motto „klein aber fein“ am Beispiel unzähliger Mehrklassenschulen in ländlicher Umgebung seine Berechtigung, wie verschiedenste Untersuchungen aus der Schweiz zeigen. 

Das Problem besteht jedoch heute darin, dass nach den EU-Bildungsnormen überhaupt keine Grundschullehrer mehr ausgebildet werden, welche die Berechtigung hätten , einen vollen Wochenstundenplan einer 3.-4. Klasse am Wohnort der Schüler zu erteilen. So fällt dann schuladministrativ der Entscheid, die Kinder mit Transportmitteln in regionalen Zentren zu unterrichten. Begründet wird dies mit dem Argument der höheren Unterrichtsqualität und somit besserer Bildungschancen sowie Kostenersparnis.

Quervergleiche zwischen solchen Schulzentren
und ländlichen Mehrklassenschulen in der Schweiz zeigen , dass Schüler aus diesen Dorfschulen klar sozialkompetenter und im Bereiche „Lernen lernen“ flexibler und selbstständiger sind, auch im Klassendurchschnitt auf überdurchschnittlich hohem Niveau arbeiten (sofern die Klassengrössen in vertretbarem Rahmen bleiben!) Im Weiteren wird festgestellt, dass prozentual viel weniger Schüler „den Anschluss im Schulstoff verlieren“. Sicherlich hängt dies auch damit zusammen, dass die meisten Lehrkräfte, welche solche Stellen antreten, sich überdurchschnittlich stark zu engagieren bereit sind, das muss einschränkend auch gesagt werden.  Verschiedene größere Schulgemeinden sind angesichts der guten Resultate dazu übergegangen, zwei Altersjahrgänge zu mischen, obwohl genügend Schüler für Einklassenzüge vorhanden gewesen wären. 

Bundesweit zeichnen sich für die Lehrberufe in den kommende 15 Jahren bekanntlich beängstigende Engpässe ab (überalterter Lehrkörper, Pensionierungswelle in den kommenden 15 Jahren) und es scheint nicht zu gelingen, diese Lücken durch die Fachhochschulen zu schließen. Ein Grund ist, dass der Lehrerberuf an Attraktivität verloren hat. Wie wäre es also mit einem Umdenken in Richtung „klein aber fein“, auch in der Lehrerausbilung? Tagesschul- und Betreuungsstruktur auch in dörflicher Umgebung? Wenn man also von Infrastruktur und Attraktivität eines Wohnortes spricht, dann gehört das Thema Schule und Kinderbetreuung vor Ort mit Sicherheit ganz oben auf die Kriterienliste. Kleinschulen als wichtiges Element im dörflichen Alltag. Das dafür speziell ausgebildete Personal muss zur Verfügung stehen, ansonsten immer größere Regionen mangels Schuleinrichtungen bildungsfremde Zonen und damit für Familien unattraktiv werden.

Kostenwahrheit ?
Was im Bereiche Regionalisierung und hier insbesondere beim Thema Bildung an Sparpotential aufgetischt wird, mag für den Buchhalter der verantwortlichen Behörde Sinn machen, ist jedoch, interdisziplinär betrachtet, äußerst fragwürdig. Dazu einige Stichworte:
  • Wie hoch sind die Folgekosten für die Eltern zu veranschlagen, welche ihre Kinder von klein auf regional betreuen und schulen lassen müssen? Dazu gehört auch das Thema Organisation des Alltages, Zusatzfahrten usw.
  • Wie hoch ist der finanzielle Schaden für einen Ort, der seine Schule und/oder Betreuungseinrichtung regionalen Konzepten opfern muss, auf die kommenden 20 Jahre? (Keine oder wenige Familienzuzüge, vielleicht sogar Abgänge, Steuerverlust, Verlust des lokalen Gewerbes etc. etc)
  • Wie hoch sind die Kosten für den administrativen und logistischen Aufwand, eine solche Regionalschule zu betreuen und zu betreiben?
  • Wie hoch berechnet man den finanziellen Wert des Themas „Nähe zum Elternhaus und Synergien für die Schule“? Umgekehrt argumentiert: Wie hoch ist der Identifikationsgrad von Eltern mit einer Dorfschule, wie hoch bei der Regionalschule?
  • Wie steht es um Bewältigung von akuten Problemen mit Schülern/Eltern, Früherkennungssystem, Elterngesprächen etc. Wie lange dauert es,  bis die Regionalschule reagieren kann, wie passiert das in der Dorfschule? Viele Beispiele aus dem Sozialbereich zeigen, dass es um sehr, sehr viel Geld geht, wenn Kinder bereits im Volksschulalter durch die Maschen fallen.
  • Lassen sich Begriffe wie Heimat, Umfeld,  Wurzeln, wertmässig definieren? Kann man beispielsweise tatsächlich davon ausgehen, dass ein 6-jähriges Kind selbstverständlich seine Welt in einem Radius von 15 Kilometern absteckt, während dann im Lehrprogramm entwicklungspsychologisch dem Alter angepasst vom Kleinen zum Großen hin unterrichtet wird? Ironie: In nicht wenigen späteren Therapien wird dann über Jahre krankenkassenpflichtig erarbeitet , dass eben genau diese Wurzeln irgendwie fehlen und wesentlich zu einer Verhaltens- oder Persönlichkeitsstörung geführt haben ..

Zurück zum Thema Finanzen: Ein wirklich triftiges Argument für die Aufrechterhaltung der Dorfschulen. In der Schweiz kostet ein Schulkind in der öffentlichen Grundschule je nach Kanton zwischen ca. 5000 € und rund 7000€, auf der Oberstufe zwischen 7 500 € und 10 000 €. Diese Zahlen stammen aus dem Jahre 2004 und dürften in der Zwischenzeit nochmals um sicher 15% angestiegen sein (Anzufügen ist, dass die höheren Mehrausgaben pro Kind ganz maßgeblich durch ein um beinahe 40% höheres Lohnniveau der Lehrkräfte und höhere Immobilienpreise beeinflusst sind). Daneben gibt es Privatschulen, welche mit praktisch identischen Schulgeldern seit mehr als 15 Jahren bestehen, schulisch äußerst erfolgreich sind und offenbar auch noch Geld verdienen..

Wenn man nun davon ausgeht, dass in Deutschland heute für ein Kind im Grundschulalter Kosten von 5000 - 6000€ angesetzt werden, dann stellt sich die Frage, weshalb so genannte Mehrklassenschulen mit Tagesstruktur als teilautonome Schuleinheit in Dörfern  nicht Kosten deckend sein sollen, wenn man mal von 40 Kindern und total 4 Lehr-/Betreuungskräften ausgeht. Sollten diese Schul-/Betreuungseinheiten tatsächlich defizitär arbeiten, dann wären hier Gelder aus den Förderfonds für strukturschwache Regionen zweifellos sinnvoll investiertes Steuergeld. Wer sich für mehr Angaben zum momentanen Zustand des Bildungssystemes interessiert, dem sei diese Studie empfohlen.

Gerade angesichts der heute stattfindenden Demografie-Konferenz der Bundesregierung wäre es schon begrüßenswert, wenn die Bewältigung dieser Probleme nicht einfach durch Förderpreise für beispielhafte Einzelinitiativen angegangen würden, sondern eben auch die Schulorganisation der Länderbildungsministerien bezüglich Strategie und Folgewirkung einer eingehenden Prüfung unterzogen würden..  Was alternativ noch möglich wäre, könnte man dann auf den Seiten dieser Gemeinde aus dem Zürcher-Oberland mit vielen Aussenweilern als Denkanstoss einbeziehen.

Nicht zu vergessen:  Die Tatsache, für welche man keine Konferenz ansetzen muss. Der Trend zur 1,5-Kind Familie kann  nichts Anderes erzeugen, als eine überalterte Gesellschaft. Wie man nun die scheinbar unpopuläre Losung: "Wir brauchen 2- Kind oder 2,5 Kind-Familien, um die Bevölkerung einigermassen stabil zu halten", unter das Volk bringen könnte, dazu halten sich die Parteien vornehm zurück.  Antworten sind aber übefällig!

Oder belassen wir es einfach bei einem Vergleich aus der Natur ? „Aus morschen Baumstämmen sprießt neues Leben“? Ob das auch beim Menschen funktionieren wird?

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