Nach den fürchterlichen Anschlägen von Paris haben wir nun täglich von irgendwelchen weiteren und abzusehenden Bedrohungen, Terrorzellen und "mutmaßlich konkret geplanten" Anschlägen gelesen, vorzugsweise in Live-Tickern und gespickt mit unzähligen Stellungnahmen verschiedener Minister auf Bundes- und Länderebene. Auslöser war das abgesagte Länderspiel Deutschland-Holland, welches man als Zeichen GEGEN den Terror durchzuführen gedachte. Die Absage hat das Gegenteil bewirkt. Der Terror - oder die Angst vor Terror sind letztlich stärker. Dieses Geheimdienstgewusel, welches offenbar gezielt an die Öffentlichkeit gelangt, der man dann aber wichtige Informationen vorenthält, weil die ganze Wahrheit die Bevölkerung "beunruhigen" würde, beunruhigttatsächlich, verunsichert.
Einige Beispiele zum Thema Berichterstattung/Kommunikation
Paris:
- Anschlag wurde von mehreren Terrorzellen durchgeführt.
- Nach Stürmung der Wohnung vor zwei Tagen: Weitere Terrorzelle auf der Flucht
- Rätselraten um Drahtzieher.
- Zweite Terrorzelle bereitet Anschlag vor, Quelle seien Geheimdienstkreise
- Bekanntgabe, dass Drahtzieher getötet wurde und dieselbe Terrorzelle einen zweiten Anschlag vorbereitete.
- Weiterhin Razzien und in Frankreich Ausnahmezustand um 3 Monate verlängert.
- Demo-Verbot bei Großanläßen und Kongressen.
Deutschland:
- Länderspiel in letzter Minute auf Grundlage von Geheimdienstinfos abgesagt. Interessant die "Details", wobei man sich schon fragt, wie es möglich ist, dass angesichts des vorliegenden Wissens niemand dingfest gemacht werden konnte...
- DFB "denkt", dass Samstagsspiele normal stattfinden
- Fußballfans werden "gebeten", keine Böller mitzunehmen, um "Paniken zu vermeiden". (War es bisher normal und gestattet, mit Böllern zu Fußballspiele anzurücken?)
- Zitat aus Fußballkreisen:" Wir müssen als Zivilgesellschaft Courage zeigen und dürfen nicht kapitulieren. Sonst jubeln doch genau die Leute, die nicht jubeln sollen."
Dies die Logik des Big Business Fußball. DASS jedoch derzeit jeder Trittbrettfahren mit einer plumpen Drohung ein Stadion leer kriegt, ist wohl unbestritten. DASS dieses dann auch geräumt wird ebenso. Also die Frage: Weshalb werden diese Risiko-Veranstaltungen nicht ausgesetzt, weil ja damit unglaubliche Energien der Polizei gebunden werden.
Weihnachtsmärkte:
- Bouffier: Weihnachtsmärkte werden trotz Terror geöffnet. "Die Leute sollen hingehen und Spaß haben"
- in NRW wird es mehr Polizeipräsenz für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl geben...In besonderen Lagen können sie aber auf andere Waffen und spezielle Schußwaffen in ihren Dienstfahrzeugen zurückgreifen können.
- Sachsen-Anhalt "erhöht" (bei chronischem Personalmangel!!) die Polizeipräsenz auf Weihnachtsmärkten. Der Innenminister meint es gäbe keine "konkrete Bedrohungslage". Es gäbe aber eine allgemeine Gefährdungslage und daher wolle man Präsenz zeigen. Ebenfalls mit besonderen Schußwaffen und -Westen, welche im Dienstfahrzeug bereit liegen....
Richtig weihnachtlich also. Ja, auch Weihnachtsmärkte sind ein Wirtschaftsfaktor. Andererseits: Eine Absage würde das Weihnachtsfest vielleicht auch etwas näher an seinen Ursprung bringen. Besinnung, mehr im Familienkreis usw. Angesichts der weltweiten Krisenherde vielleicht mal Verzicht auf Fun und Action?
Sonst so:
- Terrornest in München - Falschmeldung des gestrigen Tages! - oder doch nicht? Focus online beharrt auf seiner Darstellung
- Bild: Neue Kampftruppen. verschärfte Grenzkontrollen, mehr Personal. Deutschland reagiert auf Terrorgefahr. Das geschieht natürlich auf Knopfdruck und vergessen sind Sätze der Polizeigewerkschaft: Deutschland fehlen 20 000 Polizisten..
Öffentliche Sicherheit scheint also auf wackligen Füßen zu stehen. Deswegen auch die Diskussion um Militäreinsätze? Das wäre dann aber Ausnahmezustand. Also eine Extremsituation. Damit verglichen sind Bundesliga und Weihnachtsmärkte eigentlich Bagatellen, oder nicht? Und wo liegt jetzt eigentliche Realität? Irgendwo zwischendrin....
Keine Breefings, sondern Entscheidungen:
Das Redebedürfnis der Innenminister aus Bund und Ländern scheint enorm. Die meist verwendeten Verben sind: "Wir" überlegen, prüfen, denken, planen, beabsichtigen, müssen davon ausgehen." Geschmückt mit, "möglicherweise, unter den gegebenen Umständen, mutmaßlich, uns vorliegenden Informationen,". Vertrauen schafft das nicht.
Diese Breefings bringen Medienpräsenz, angesichts anstehender Landtagswahlen und einer gebeutelten Bundes-CDU natürlich willkommene Profilierung zum Thema innere Sicherheit, auch wenn der eigentlich Aussagewert Null ist. Wenigstens Medienpräsenz. Gefragt wären jedoch : "Ab sofort gilt/ wir haben bundesweit, landesweit entschieden, dass.../
Erwartet werden Entscheidungen, auch wenn sie unpopulär sind, wenn sie wirtschaftlich schmerzen mögen. Die Erklärung: "Wir müssen mit dieser Bedrohung leben", ist noch nachvollziehbar. Die Abwägung jedoch, ob Massenveranstaltungen unter dieser Voraussetzung sinnvoll sind, muss eine sicherheitspolitische sein und sollte gefällt werden, auch wenn Wählerklientel vor den Kopf gestoßen wird. Auf weitere Trauerkundgebungen und Dauerabsagen hat niemand Lust. Also, wer Anderes als die zuständigen Politiker haben Entscheide zu fällen - und nachdem dies passiert ist, besteht Grund, zu kommunizieren. Diese Erwartungshaltung besteht und Frankreich macht es gerade vor, wie das funktionieren kann. Bis es so weit ist, sollten einfach alle mal die Klappe halten.
Auf tägliche live-Ticker, wonach Weihnachtsmarkt X , Bundesligaspiel Y oder DemoZ kurzfristig wegen "uns vorliegenden Hinweisen" geräumt oder abgesagt wird, möchte ich verzichten.
Der Postillion, Magazin für Satire, hat zu dieser ganzen Thematik einen neuen Gipfel erklommen. Dieser Beitrag dürfte als erste realpolitische Berichterstattung ins Archiv dieses Magazins eingehen und bringt die derzeit absurde Situation in Deutschland meiner Meinungt nach auf den Punkt. Wollen wir das wirklich?
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