
Mein Zug bringt mich in 10 Minuten in den Hauptbahnhof
Zürich, wo sich die Abteile leeren und natürlich gleich wieder neu belegt
werden. Es entsteht ein interessantes „Lademuster“. Zuerst schnappt sich mal jeder Passagier
einen Platz in einem leeren Viererabteil. Anschliessend erfolgt die
Diagonalvariante, also sich nicht gegenüber dem bereits sitzenden Fahrgast
platzieren, sondern gegenüber dem leeren Platz neben dem Fahrgast. So, damit
ist das Viererabteil eigentlich gefüllt und man kann es sich bequem machen.
Wer nun zusätzlich Platz einfordert, scheint eher ein
Störefried zu sein, jedenfalls lassen Mimik und eher widerwilliges Gerutsche
des 50% Viererabteils darauf schliessen. Sollte dann auch noch eine vierte
Person dazu kommen, dann war das wohl kein guter Reisetag, unterstelle ich mal.
Ist das die Ruhezone??
Das alles geschieht in gespensterhafter Ruhe. Ich habe auf
35 Minuten Reise keine zehn Sätze gehört. Befinde ich mich denn hier auch in
der Ruhezone? Nein. Das gibt es im Nahverkehr nicht. Mein Nachbar liest in einem Amazon-e-Buch, im
4-er Abteil nebenan streicheln drei Leute ihre Androids oder was auch immer und
sind somit mit sich selbst beschäftigt.
Ein Blick um die Ecke in die nächsten Abteile: Dasselbe Bild. Einfahrt in die
nächste Haltestelle. Einige nehme ihre Verkabelungen vom Ohr, packen ihre
Geräte ein, stehen wortlos auf und verlassen ihr Abteil, andere kommen, setzen
sich wortlos hin und installieren sich in ihre virtuelle Umwelt.
Auch „meine“ beiden Mitfahrer verlassen mich an
verschiedenen Stationen und reagieren auf mein „auf Wiedersehen“ leicht
verunsichert, schieben aber noch schnell ein „en schöne Aabig“ hinterher. Einem
neuen Fahrgast sage ich „Grüezi“.
Verlegen murmelt er auch einen Gruss, kabelt sich an, loggt sich ein und das
Schweigen geht weiter.
Irgendwie gespenstisch das alles. Zug fahren war mal eine
Gelegenheit, neue Leute, wenn auch nur kurz, kennenzulernen. Noch heute finde
ich das spannend und kann so eigentlich von jeder Busreise in der Türkei mit
neuen Bekannten „und wenn du mal in unsere Gegend kommst, erwarten wird dich
auf Besuch“ aufwarten. Inzwischen ist
dieses Transportmittel offenbar dazu da, menschliche Behältnisse, welche irgendwo
an irgendwas angedockt sind, von A nach B zu tranportieren. Das wirkt irgendwie
so, wie wenn ein Patien aus der Intensivstation A in die Intesiv B verlegt
wird..
Sind das wohl die
Exemplare, von denen ich dann so unheimlich wichtige Meldungen wie „die S 2 hat
schon wieder drei Minuten Verspätung“ (gepostet via handy) auf facebook oder
Google+ nachlese und mich frage, was der Grund sein könnte, eine derartige
Bagatelle der Allgemeinheit mitzuteilen, da ich mich ja nicht in einer
S2-Verspätungsmeldungsgruppe befinde…
Kontrast:
Sonntagnachmittag, herrliches Wetter. Ich schiebe meinen
Vater im Rollstuhl durch eine tolle Gegend entlang des Zürichsees. Viele
Spaziergänger, junge Familien, ältere Ehepaare, auch frisch Verliebte,
flanieren auf diesem Gehweg. Liegt es
nun an der Konstellation „schwer Behinderter alter Mann wird im Rollstuhl
spazieren gefahren?“, oder am tollen Wetter, oder an der Persönlichkeit der
Menschen, welche da spazieren, dass
eigentlich jede Begegnung ein „Grüezi“
mit sich bringt? Mehr nicht, aber dieser Gruss ist da, gegenseitig. Je nach
Tonlage eine Pflicht, Mitleid oder Ausdruck von Freude über den schönen
Sonntagnachmittag. All das in einem Wort.
Probier das mal mit einem iPhone!
Alter Zopf? Vielleicht. Allerdings ist mir an diesem
Nachmittag noch etwas bewusst geworden. Dieser Gruss bedeutet auch, dass ich
wahr genommen werde. Ich bin wer und werde gegrüsst. Was für ein Unterschied
zum Zug vor zwei Tagen. Da ist man insofern vorhanden, als das Gegenüber die
Beine nicht so ausstrecken kann, wie es gerne möchte, ansonsten existiert man
nicht, wurde man auch nicht wahr genommen, denn störend waren ja nur die Beine…
Wenn es aber so weit kommt, dass der einzige Bezugspunkt
noch mein tablet oder mein inzwischen zur Kommunikationsplattform aufgemotztes
Handy wird, dann ist wohl die Grundlage dafür geschaffen, dass das Gegenüber
ohnmächtig vom Sitz rutschen kann, im Abteil dahinter jemand zusammengedroschen
wird und dies bestenfalls noch über twitter ins Netz kommuniziert wird. Viel mehr
ist da wohl nicht zu erwarten.
Der grosse Vorteil dieser Technologie: Die Bundesbahnen
können sich künftig die Schaffung von Ruhezonen sparen. Der ganze Zug ist
akustische Ruhezone.
Walter es wird so sein dass man noch schnell ein Bild knipst von der angegriffenen Person um zu beweisen dass man dabei war. Aber nur mit genuegend Abstand und ums himmels Willen ja nicht eingreifen. Nichts sagen - der Angreifer koennte ja......
AntwortenLöschenIm 20 min. Habe ich gelesen dassdie SBB Leute welche den Platz neben sich mit Taschen und Rucksaecken belegt, buessen will wenn sie nicht das gepaeck von den Sitzen nehmen. Bloss wer will das ausfuehren. Die Zugbegleiter sind ja jetzt schon unglaublichen Anfeindungen ausgesetzt.