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Deutschland-Dönermorde: Protektioniert vom Verfassungsschutz?

Ungeheuerlich, was im Zuge der Ermittlungen um diese Mordserie von Rechtsextremen nach und nach bekannt wird:



  • Doch dass der thüringische Verfassungsschutz V-Männer in der rechtsextremen Szene eingeschleust hatte, war seit 2000 bekannt. Neonazi Thomas Dienel, 1991 kurzzeitig NPD-Landeschef in Thüringen und unter anderem wegen Volksverhetzung und antisemitischer Propaganda verurteilt, stand 1996 und 1997 in den Diensten des Verfassungsschutzes. Ein Jahr später wurde auch Ex-NPD-Landesvize Tino Brandt als V-Mann enttarnt. Er brüstete sich später damit, mit den Spitzelgehältern auch den rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz" (THS) aufgebaut zu haben. Quelle Stern
  • Chef Thomas Sippel schloss nicht aus, dass sein Vorgänger Helmut Roewer in den 1990er Jahren Informanten auf eigene Rechnung führte.
    „Da wäre sehr ungewöhnlich. Aber es wäre vorstellbar“, sagte er dem „Focus“. Roewer sei 2000 aus dem Amt gejagt worden, nachdem er Geld der Behörde abgezweigt habe, um eine Quelle zu bezahlen, über deren Auftrag und Identität er bis heute schweige, berichtete das Magazin. Roewer selbst wolle sich zu den Vorwürfen nicht äußern....
  • In Ermittlungskreisen wird dem „Focus“-Bericht zufolge gemutmaßt, dass ein Hintermann das Zwickauer Trio durch seine Tipps mehrfach vor dem Zugriff der Polizei bewahrt hat. Immer wieder seien die drei kurz vor einer Festnahme verschwunden. „Die müssen massiv gelenkt oder geleitet worden sein“, zitierte das Magazin einen namentlich nicht genannten Beamten, der an der Fahndung beteiligt war. Schon das Abtauchen des Trios 1998 nach der Entdeckung einer Sprengstoff- und Waffenlagers in Jena wirft dem Bericht zufolge Fragen auf. Der Verfassungsschutz habe den Ermittlern damals den entscheidenden Tipp gegeben. Dem Trio sei die Flucht gelungen, obwohl es angeblich überwacht worden sei....
Was zu Zeiten des Kalten Krieges üblich war, nämlich Doppelagent zu sein und diesen gefährlichen Job zumindest finanziell von zwei Seiten versilbern zu lassen, hat sich in diesem Falle offenbar unter dem Titel "verdeckte Ermittlungsmethode" erhalten.

Sollte die Meldung korrekt sein, dass sich zum Zeitpunkt eines der Morde sogar ein Mitglied des Verfassungsschutzes im Lokal aufgehalten haben soll, dann ist dies natürlich ein nicht zu überbietender Skandal zum Thema Rechtsstaat.

Es geht dabei um Ermittlungsmethoden, welche offensichtlich mehr als fragwürdig sind, doch ist dies nur die organisatorische Oberfläche. Viel gravierender scheint mir: Sollten diese Vorwürfe bestätigt werden und Vieles deutet darauf hin, dass in diesem Regionalverfassungsschutz Menschen mit einer Gesinnung arbeiten, welche mit demokratischen Grundrechten nicht zu vereinbaren ist, dann haben wir hier ein explosives rechtsstaatliches Problem. 

Zugleich entstehen neue gesellschaftliche Spannungen für Deutschland: All die Klagen von in Deutschland lebenden Türken über diskriminierende und fremdenfeindliche Vorkommnisse und Aktionen müssen ab sofort in einem andern Lichte gesehen werden. Dabei geht es jetzt nicht einfach um Thüringen. Mehrere Neue Bundesländer haben das Image, Nährboden für Nationalismus und Rechtsextremismus zu sein, rühmen sich, so gut wie keine Ausländer zu haben und wir alle erinnern uns an diverse spektakuläre Aktionen.  Zur Erinnerung

Die Frage dabei ist, ob dies eine aus der Bevölkerung entstandene Bewegung ist, oder aber, ob Behörden Rechtsextremen in diesen Regionen schlicht und einfach mehr Freiheiten einräumen, diese gar protektionieren. Nach dem, was derzeit alles an den Tag kommt, ist das Wort Protektionismus angebracht.

Um so deutlicher wäre nun ein Zeichen des Staates, indem man diese Verfassungsschutzbuden wirklich auf den Kopf stellt und über die Ergebnisse laufend informiert wird. Zu viele Zeichen deuten da auf eine entartete Form von Rechtsauffassung und Selbstanmassung von "Dienern des Staates" hin.

Mit Verlaub: Dies alles als  "Panne beim Verfassungsschutz" zu titeln, wie es derzeit noch zu oft von den Titelseiten prangt,  ist eine weitere unerträgliche Verharmlosung. Da geht es um bedeutend mehr.

Kommentare

  1. "rechts"staatliches Problem, sdagt das denn nicht schon alles?

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