
Seit Wochen wurde aus der Türkei gegen diese Vorlage mobil gemacht,
indem national in den Medien die dunklen Punkte aus der französischen
Kolonialgeschichte aufgelistet wurden, gleichzeitig international
breiter Lobbysmus gegen diese Vorlage einsetzte. Im Falle der
Nationalversammlung war diese Arbeit wirkungslos.
Überrissene
türkische Reaktion
Bereits
vor der Abstimmung hatte Ministerpräsident Erdogan durchblicken
lassen,
dass im Falle einer Annahme des Gesetzes mit schweren diplomatischen Folgen zwischen den beiden Ländern zu rechnen sei. So erstaunte es nicht, dass wenige Stunden nach der Abstimmung Erdogan bekanntgab, der türkischer Botschafter in Frankreich werde auf unbestimmte Zeit abgezogen. Ob zugleich der französische Botschafter aus der Türkei ausgewiesen werden soll, ist noch nicht bekanntgegeben worden.
dass im Falle einer Annahme des Gesetzes mit schweren diplomatischen Folgen zwischen den beiden Ländern zu rechnen sei. So erstaunte es nicht, dass wenige Stunden nach der Abstimmung Erdogan bekanntgab, der türkischer Botschafter in Frankreich werde auf unbestimmte Zeit abgezogen. Ob zugleich der französische Botschafter aus der Türkei ausgewiesen werden soll, ist noch nicht bekanntgegeben worden.
Aufhorchen
liessen jedoch weitere „Sanktionen“: Keine Teilnahme an
Sitzungen, in welche Frankreich massgeblich involviert ist.
Unterbrechung jeder Form von militärischer Zusammenarbeit,
Streichung französischer Firmen von türkischen Rüstungs- und
Staatsaufträgen. Überflugverbot für französische
Militärmaschinen, respektive, Bewilligung nur nach gesonderter
Prüfung etc. Weiter ist zu hören, dass Airbus-Flugzeugbestellungen ausgesetzt werden sollen. Nach dem Willen der türkischen Regierung wird also auch Europa zu einem Positionsbezug herausgefordert, denn es geht hier nicht mehr einfach um Frankreich.
Was
meint die Nato?
Damit
erfährt diese Auseinandersetzung eine Dimension, welche weit über
den Konflikt Frankreich-Türkei hinausgeht, denn gleichzeitig erklärt
hier ein Nato-Mitglied im Alleingang einen Nato-Partner als persona
non grata. Somit wird sich auch diese Organisation mit dem Verhalten der Türkei
zu befassen haben, denn derzeit bestehen ja Pläne, gemeinsam mit den
USA einen Raketenschutzschild im Osten der Türkei zu installieren.
Angesichts derartig willkürlicher Reaktionen könnte es jedoch sein,
dass die Nato diese Pläne nochmals sehr genau überdenkt, überdenken
muss.
Stellung
der Türkei in Europa
Die
Türkei hat ja inzwischen ziemlich scharfe Geschütze gegen
Frankreich aufgefahren. Dies, obwohl, oder gerade aus dem Grunde (?),
dass im Januar diese umstrittene Gesetzesvorlage auch vom Senat
bewilligt werden muss. Offensichtlich will man nun aus türkischer
Sicht aufzeigen, dass der Schaden, welcher für Frankreich entsteht,
wenn man diesem Gesetze zustimmt, weit höher sein wird, als das, was
die 500 000 armenisch stämmigen Wählerstimmen Sarkozy und
Frankreich bringen könnten. Zugleich soll das wohl eine Warnung an
andere Länder sein, welche sich mit der Türkei diplomatisch anlegen
möchten. Eine klare Drohgebärde, könnte man sagen.
Europa
dürfte diesen Vorgang jedoch ganz anders bewerten: Massivste
Einflussnahme in demokratische Prozesse anderer Länder und damit
natürlich undemokratisches Verhalten auf der ganzen Linie. Zugleich
erkennt man, dass die Türkei international diktieren möchte,
worüber zum Thema Türkei gesprochen werden darf und worüber nicht.
Erste Kommentare lassen darauf schliessen, dass die Türkei sich in
Bälde mit einer grösseren Ablehnungsfront aus Europa konfrontiert
sieht, als ihr lieb sein kann sein. Dabei dürfte es weniger um den
politischen Entscheid in Frankreich, sondern um das bald zur
Gewohnheit gewordene politische Gepoltere drehen, welches immer dann
einsetzt, wenn irgendwo auf der Welt ein Entscheid in Sachen Türkei
ansteht, welcher unerwünscht ist.
Erdogan
mischt zwar diesbezüglich die Türkei innenpolitisch sehr clever
auf, doch dürfte die Wirkung im Ausland eher begrenzt sein ,
möglicherweise sogar eine Gegendynamik auslösen. Diese könnte dann
wiederum die Türkei viel empfindlicher treffen, als alle
Boykottmassnahmen, welche bisher angekündigt wurden.
Wann
kommt endlich die internationale Historikerkommission?
Es
ist nicht nachvollziehbar, weshalb sich nicht schon längst eine
unabhängige Historikerkommission dieses Themas angenommen hat, die
Archive in Istanbul, Berlin und Moskau auswertet und dann zu einem
Ergebnis kommt, welches allseits akzeptiert wird. Seit zehn Jahren
liegt dieser Vorschlag auf dem Tisch und immer wieder sind es
nationale Animositäten, welche diese Arbeit verhindern.
So
wird sich die Geschichte im bekannten Sinne weiter drehen. Steht
irgend in einem Lande Europas die Frage an:“Was ist eigentlich in
den Jahren 1914-1918 mit den Armeniern passiert?“, wird dies in der
Türkei als Frontalangriff auf die nationale Souveränität
aufgefasst und in bekannter Manier dagegen mobilisiert. Schade.
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