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Weshalb ich kein Franzose werde.

Ein brutales  Attentat hat vor 40 Stunden Paris (und Europa) erschüttert. Seither sind sämtliche Medienkanäle vollgepfropft mit Live-Tickern, Sondersendungen, tagen Krisenstäbe, werden Tagesordnungen von internationalen Konferenzen neu aufgesetzt, fahren sämtliche europäischen Länder ihre Sicherheitsdispositive hoch und sind inzwischen wohl 1/4 aller Facebook-Profile mit der französischen Trikolore überlegt. Daran wird sich in den kommenden zwei Tagen kaum was ändern. Das Attentat von Paris wird in Europa omnipräsent sein. Eine Tat von 7 oder 8 Kriminellen, möglicherweise im jugendlichen Alter, verblendete Fanatiker.

Natürlich unermessliches Leid für die Familien der Opfer. Solidarisierung ja, schließlich liegt Paris irgendwie vor der Haustüre und macht deutlich: Das hätte auch direkt bei uns passieren können. Diese Gewissheit macht bange, neben der Trauer um die Opfer.

War ISIS in Europa jemals präsenter, wurde jemals mehr über diese religiös verbrämte Schurkenbande gesprochen als heute? Ich gehe noch einen heiklen Gedanken weiter: Konnte ISIS bisher jemals damit werben, Europa im Mark getroffen zu haben und dies in ihren Videos als Zeichen der Stärke vermarkten, obwohl diese Bande in ihrem Stammgebiet derzeit in größter Bedrängnis ist? Kann es sein, dass diese kollektiv demonstrierte Trauer und Solidarität, dieser schreierische Medienhype (obwohl die Untersuchungsergebnisse noch Tage auf sich werden warten lassen) im Grunde genommen genau DAS ist, was die ISIS im Moment dringend braucht, um neue Leute (=Kanonenfutter) zu rekrutieren?

Weshalb ich kein Franzose werde 
Aleppo


  • Wurde ich, wurdest du anfangs Oktober 2015 nach dem schweren Bombenanschlag in Ankara Türke oder Kurde?
  • Wurde ich, wurdest du Iraki, als  im Sommer 2015 die ISIS mitten auf einem Markt in der Nähe von Bagdad eine Autobombe zündete und über 100 Menschen mit in den Tod riss
  • 2014 wurde ich (und du wahrscheinlich auch) NICHT Iraki,
    Deir Ezzor Syrien
    als eine ganze Serie von Autobomben explodierte.Eines dieser Attentate wurde von einem deutschen ISIS-Fanatiker verübt. War ich wenigstens angesichts der Herkunft des Attentäters betroffen? Ein Spinner? Oder habe ich, hast du das einfach überlesen und betroffen weggesteckt? 
  • Oder hier?
  • Ich wurde auch nicht "Charlie"

Egal, wo auf der Welt derartige Massaker stattfinden, entsteht unermessliches menschliches Leid, fühlen sich die Betroffenen ohnmächtig. Wenn sich solche Greuel praktisch im Wochentakt ereignen und die Weltöffentlichkeit dies allenfalls noch als Randnotiz zur Kenntnis nimmt und zur Tagesordnung übergeht, dann entsteht Verzweiflung. Es gibt nur noch einen Wunsch: Weg hier und zwar weit weg. Denn die Betroffenen kennen die komplexen Strukturen dieser Organisationen und ihrer Unterstützer besser als unsere besten Nahostexperten. Deswegen weit weg...

Noch viel größer wird die Hoffnungslosigkeit dieser Menschen in Syrien, im Irak, zunehmend auch wieder in Afghanistan, wenn sie feststellen, dass ein Attentat in der westlichen Welt reicht, um die gesamte Völkergemeinschaft auf die Beine zu bringen. Wie müssen sie sich in ihrem Land und in ihrer Situation vorkommen? Vergessen, sich selbst überlassen, zum Abschuss frei gegeben. Ausgeliefert einer wild gewordenen Horde von vielleicht 20 000 Idioten.  Also nur weg, möglichst weit weg....

Natürlich taucht bei den im Lande verbliebenen Betroffenen angesichts der internationalen Reaktionen auf Paris eine weitere Frage auf: Gibt es zwei Kategorien von Opfern? Gibt es Menschen mit mehr und weniger Rechten? Weshalb wird unser Aufschrei nicht wahr genommen, passiert nichts, wird es immer schlimmer?  Was bleibt? Flüchten, weit weg, am besten dort hin, wo ein Menschenleben noch was zählen.... An einen Ort, wo solche Terroristen kompromisslos verfolgt werden. Wo das ist, zeigen die Medien in diesen Tagen...

"Saubere" Stellvertreter-Kriege gibt es nicht


So lange West- und Ostmächte aus wirtschaftlichen Überlegungen schamlos Geschäfte und politische Beziehungen zu Staaten und Persönlichkeiten pflegen, welche offensichtlich  aus dem Hintergrund ISIS und ähnliche Banden alimentieren, unterstützen und als Stellvertreter-Krieger fördern, werde ich stinkig. Früher nannte man sowas Schurkenstaaten. Betrachtet man die gegenwärtige Liste so ist diese dringend anpassungsbedürftig! Dagegen sprechen da wohl wieder wirtschaftliche Interessen. Das macht mich wütend.

Umgekehrte Abfolge: Derzeit statten die West-Mächte die Kurden mit dem notwendigen Waffenarsenal aus, um GEGEN die ISIS Bodenkrieg zu führen. Wir sprechen von Stellvertreter-Kriegen. Damit wird gutes Geld verdient. Man führt, im politischen Jargon "saubere Kriege".  

Vor 40 Stunden wurden wir auf den Boden der Realität zurück geholt, was die Sauberkeit dieser Kriegsführung betrifft. Es gibt sie nicht. Irgendwann zeigt sie sich  in ihrer blutigsten Form vor unserer Haustüre.  

Damit  dürfte jedoch  das Ende der ISIS eingeläutet sein. Leider einige Jahre zu spät und zu einem unmenschlich hohen Preis für die Zivilbevölkerung im Nahen und Mittleren Osten. Geschuldet einer politisch nicht zu entschuldigenden Gleichgültigkeit und einem Profitdenken, welches auch tausende von Opfern in Kauf nimmt - genau so lange, wie man nicht selbst betroffen ist....

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