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Erdogan: Frontal- Angriff auf die HDP

Seit einem halben Jahr wird über Erdogans Wunsch nach dem Präsidialsystem, welches ihm weit greifende Vollmachten einräumen würde, berichtet. Bereits heute nimmt er sich als "repräsentativer" Staatspräsident viel mehr Rechte heraus, als ihm die Verfassung zugesteht. Besonders deutlich wurde dies im Wahlkampf zu den November-Wahlen.

Die Ergebnisse müssen für Erdogan enttäuschend sein. Weder hat er die angestrebte 2/3 -Mehrheit erreicht, mit welcher er im Parlament so eine Verfassungsänderung durchziehen könnte, noch hat er das nötige Quorum, um eine Volksabstimmung zu diesem Thema auf den Weg zu bringen. Es fehlen ihm 13 Abgeordnete. Vor allem aber: Trotz Erdogans Eskalationsstrategie gegenüber den Kurden hat die HDP doe 10%-Hürde auch im November geschafft, sitzt sie mit 59 Abgeordneten im Parlament. DESWEGEN lassen sich Erdogans Vorstellungen nicht umzusetzen.

Am 2. 11, unmittelbar nach den Wahlen, habe ich Folgendes geschrieben:


Am 21.12. wurde nun  bekannt: Untersuchung gegen Demirtas

Dem Bürgermeister von Diyarbakir, Parlamentsabgeordneten und Co-Chef der HDP  und vier weiteren Personen wird vorgeworfen, anläßlich einer Pressekonferenz am 18.05.2015  die "Barrikadenbauer" unterstützt und "zur Meuterei" aufgerufen zu haben.

Um diese Untersuchung überhaupt führen zu können, verlangt der untersuchende Oberstaatsanwalt von Diyarbakir  die Aufhebung der diplomatischen Immunität von Demirtas. Wird diesem Ansinnen stattgegeben, dürfte erneut eine lange Untersuchungsprozedur mit großem Medienspektakel anlaufen. Ziel wird es sein, die an Demirtas gerichteten Vorwürfe generell auf die HDP auszuweiten und im Anschluss daran deren Verfassungsmäßigkeit zur Diskussion zu stellen.

Ein politisch angeordnetes Verbot der HDP in den nächsten Monaten ist nicht auszuschließen. Damit würden die 59 Abgeordneten-Sitze im Parlament frei für die nächststärkere Partei der jeweiligen Wahlkreise, das wäre dann die AKP. Somit wäre Erdogan am Ziel seiner Träume.  Allerdings hat die HDP schon in der Vergangenheit bewiesen, dass sie solche Bestrebungen durch Parteirücktritte und Gründung neuer Parteien schon mehrfach erfolgreich unterlaufen hat.

Unter diesem Aspekt gewinnt die Reise Demirtas`s nach Russland eine ganz besondere Note. Früher bewegte er sich bei ähnlichen Problemen in Richtung Europa - von dort hat er aber offensichtlich nichts zu erwarten. Das hat er bereits enttäuscht bekannt gegeben.

Das Verfahren gegen Demirtas verdient größte Beachtung, auch von EU-Seite.

Natürlich bin ich mir bewusst, dass die drei Beiträge, die ich heute hier verfasst habe, quer in der Weihnachtslandschaft stehen. Wir haben doch jetzt wirklich Anderes, woran wir uns freuen möchten. Wenigstens mal einige Tage Ruhe...
 Ja, genau damit rechnet auch Erdogan, das Timing ist perfekt. Nahezu unbeachtet gehen da Dinge vor sich, welche üblicherweise scharf kommentiert und kritisiert werden.

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