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Zwischen zwei Landtagswahlen - eine kritische Momentaufnahme

Knapp zwei Wochen nach der Bayern-Wahl und unmittelbar vor der Hessenwahl gleichen sich Resultate und Prognosen wie ein Ei dem Anderen, obwohl wir hier von zwei sehr verschiedenen Bundesländern sprechen. Das muss eigentlich hellhörig machen, denn bislang gab es in den Ländern durchaus unterschiedliche, historisch und wirtschaftlich geprägte Partei-Konstellationen. Davon ist derzeit nichts zu sehen. CDU und SPD auf extremer Verliererstraße, Grüne punkten in den Städten, FDP und Linke verändern sich in einem schmalen Prozentband und AfD kommt mit satten Gewinnen, teilweise aus dem Stand, im zweistelligen Prozentbereich. Man kann also schon von einem politischen Erdbeben sprechen, welches Schritt für Schritt bundesweit stattfindet.

Genauer hingeschaut

War es bislang so, dass die gesamte AfD-Thematik ziemlich süffisant den neuen Bundesländern als Zeugnis mangelnder Demokratiereife und Beweis von Empfänglichkeit für Populismus untergebuttert wurde, so lässt sich heute dieses Cliche nicht mehr halten. Anhand der verschiedenen Wahlergebnisse von Bundestagswahl und Landtagswahlen lässt sich nämlich etwas ganz Anderes erkennen:
  • in den ländlichen und strukturschwachen Regionen gewinnt die AfD bundesweit überproportional.
  • die Wählerbewegungen zeigen, dass dies nur bedingt mit Neuwählern, sondern in viel höherem Maße mit Wechselwählern zu tun hat. 
  • immer thematisiert: Sind dies nun Protestwähler oder überzeugte Parteianhänger? Vereinfachend wird häufig argumentiert: Wer AfD wählt, aus welchen Gründen auch immer, ist “rechts”, “nationalistisch”, "AfD wählen ist ein no go" - und erreicht damit exakt das Gegenteil: In dem Falle erst recht....
  • ausgeblendet wird Folgendes: Nicht die Chaoten, welche da wöchentlich demonstrieren, sich fremdenfeindlich positionieren und das AfD-Bild mitprägen, machen den Wahlerfolg aus. Vielmehr sind es Menschen, welche gerade im ländlichen Bereich aus ganz unterschiedlichen Gründen zu Wahlergebnissen von 25-30% beitragen. DAS müsste zu selbstkritischen Fragen der Volksparteien führen.

Das politische Vakuum im ländlichen Raum

Im Zuge verschiedenster Reformen, besonders betroffen in den letzten Jahren die neuen Bundesländer, hat sich für die BürgerInnen des ländlichen Raumes Vieles verändert. Drei Punkte seien im aktuellen Kontext erwähnt:

  • Kreisgebiets- und Gemeindegebietsreformen haben mit dem “immer größer” zu einem gefährlich weitmaschigen kommunalen Netz geführt. Für die Betroffenen dokumentiert sich dies dadurch, dass immer mehr Dinge “irgendwo”, aber nicht mehr im Ort entschieden werden. Sie fühlen sich fremdbestimmt und in wichtigen Fragen entrechtet.
  • Parallel dazu haben sich die Volksparteien ebenfalls umstrukturiert. Der Fokus liegt auf den Zentren und die ländlichen Räume hat man Partei nahestehenden Initiativen usw. überlassen. Diese waren regional und kommunal aktiv, aber bei Landtags- und Bundestagswahlen zuverläßige Stimmenlieferanten. Ganz offensichtlich ist damit Schluss. Zu viele bittere Pillen im Bereich Strukturabbau waren zu schlucken, zu groß wurden Einschränkungen oder Verluste im Bereich Lebensqualität, demokratische Mitbestimmung. 
  • Entstanden ist ein Vakuum, latent schon seit mindestens 8 Jahren vorhanden, offensichtlich seit 2014. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung hat weder Ansprechpartner vor Ort, noch sieht sie die Chance der direkten Einflussnahme auf die Zukunft ihrer Wohnorte. Lokale Interessenvertretung in Einheits- oder Verwaltungsgemeinde mit 10 und noch mehr Ortsteilen ist so gut wie unmöglich. Die rigorose Sparpolitik mit Schäubles Schwarzer Null hat in den Ländern, vor allem aber im ländlichen Raum, tiefe Spuren hinterlassen. Bundesweit.  Daraus entsteht ein nicht zu unterschätzendes Frustklima, ganz abgesehen vom Sinn und dem Erfolg dieser Reformen und Sparübungen, welche ja durch die Länder umzusetzen waren.

Die Profiteure:

Wer nun die Geschichte der AfD etwas verfolgt, kann leicht feststellen, dass der ländliche Raum die Basis für die Erfolgsgeschichte dieser Partei ist. Das Rezept ist ganz einfach: In die Orte reinsitzen, zuhören, Themen aufgreifen und Versprechungen machen.  Ob Letztere politisch realistisch und umsetzbar sind, interessiert niemanden. Parteiprogramm? Unwichtig. Personenwahl, denn “man kennt sich”. Was in dieser Runde zählt: "Da hört uns überhaupt jemand zu". Das Vakuum wird scheinbar gefüllt.

Diese Methodik  ist seit mehreren Jahren offensichtlich, ganz besonders auch für die Mitglieder von CDU/SPD in Orts- und Bezirksparteien, welche vielerorts plötzlich auf verlorenem Posten standen. Sie haben dies auch immer wieder signalisiert, gingen in Opposition zur eigenen Partei, wurden leider nicht gehört und hatten sich letztlich der “Parteiräson” unterzuordnen.

Angesichts der Entwicklung der letzten drei Jahre  klingeln die Alarmglocken seit Neuestem auch auf Bundesebene. Merkel warnt vor “Zerfall der CDU als Volkspartei” (welche sie als Parteichefin seit wievielen Jahren führt ????!!!), SPD-Chefin Nahles setzt sich angesichts eines weiteren Fiaskos gleich mal ab “Hessenwahl ist keine Schicksalswahl für mich” (ist ihr bewusst, wie sehr sie sich da ins Abseits manövriert?) Wagenknecht propagiert eine neue Links-Plattform, über welcher mehr Frage- als Ausrufezeichen schweben.

Offensichtlich: Die Parteispitzen agieren im Panik-Modus. Für die Wähler stellt sich dabei die Frage: Und nun? Muss ich mich mit diesem Angst-Szenario zur Stimmabgabe FÜR die Koalition oder Volksparteien prügeln lassen? Diese Frage ist bereits beantwortet. Nein, das Gegenteil ist offensichtlich der Fall. Weitere Wählerbeschwörung verstärkt diesen Trend.

Was wären denn Erwartungen an die ehemaligen Volksparteien - nicht aus der Sicht der Parteistrategen, sondern aus der Warte der WählerInnen, welche sich durch diese Parteien offensichtlich nicht mehr vertreten fühlen?

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