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Zwischen zwei Landtagswahlen: Nicht auf die Wähler abschieben!

Ein großer Konzern schreibt das dritte Quartal in Folge deutliche Verluste im Absatz und Gewinn, obwohl die Wirtschaft brummt. Auch für das laufende Quartal zeichnet sich keine Besserung ab. Wetten, dass in der hohen Managerebene das Köpferollen beginnt und auch der Stuhl des CEO wackelt, sollte sich an diesen Zahlen im Folgejahr nichts ändern?
Betrachtet man die Ergebnisse unserer Volksparteien anhand der Wahlergebnisse der letzten Jahre, dann wäre der oben erwähnte Konzern pleite - über Jahre von ein- und derselben Führungscrew an die Wand gefahren. Wenn ich Führungscrew sage, meine ich Landes- und Bundesparteivorstände. Wie ist das möglich? Wo war da die Parteibasis, welche da nicht eingegriffen hat?

Abnützungseffekte und “neue Prioritäten”

In einer sich rasant wandelnden Welt ergeben sich neue Themenkreise, um welche auch die Politik nicht herum kommt. Das Thema Globalisierung gehört dazu. Nationale Interessen werden EU-Interessen untergeordnet - so lange sich daraus ein wirtschaftlicher Vorteil ergibt. Wer Nachteile erwartet, stellt sich dagegen, womit die EU so gut wie handlungsunfähig wird. Die EU wiederum strickt Handelsverträge mit USA und Kanada, welche einen so genannten beidseitig erleichterten Marktzugang ermöglichen sollen, was wiederum national zu heftigen Widerständen führt, welche natürlich auch parteiintern heftigst diskutiert werden. Parteien, national gewählt, bewegen sich inhaltlich plötzlich auf dem Parkett der Global-Player. Was geht jetzt vor?
Diese Komplexität der Dinge bringt für Politiker völlig neue Handlungsebenen mit sich, was dazu führt, dass Spitzenpolitiker immer häufiger in immer mehr internationalen Gremien tagen, in nächtelangen Sitzungen um Entscheide ringen. Nicht selten kriegt man den Eindruck “und nebenbei wird noch zu Hause regiert.”
Das alles ist extrem Kräfte zehrend, vor allem, wenn seit 2008 von einem internationalen Notfall zum Nächsten geeilt werden muss.  Politiker, welche sich damit brüsten, 15 Jahre mit 4 -5 Stunden Schlaf und nächtlichen Sitzungsmarathons durchs Leben gegangen zu sein und trotzdem Zwei- und Dreifachmandate ausüben, gehören aus dem Verkehr gezogen. So wie LKW-Fahrer, Piloten, Buschauffeure. Sie stellen eine Gefahr für ihre Umwelt dar.
In dieser Verfassung ist es klar, dass die “niederen Dinge” wie Parteiführung, Pflege der Parteibasis, inhaltliche Ausrichtung der Partei, Bürgernähe usw. usw. nach unten delegiert werden müssen! Noch viel gravierender: Es entsteht eine eigentlich Kommandostruktur. Nicht mehr die Basis von unten legt Ziele fest, sondern die Parteiführung sagt der Basis, was zu tun ist. Das Prinzip der Basisdemokratie ist nicht mehr in Kraft. Weder in den Fraktionen, noch in den Landesparteien. Darüber vermag auch die Farce der Urabstimmung nicht hinwegzutäuschen.  

Verlust der Deutungshoheit

So kommt es, dass Veränderungen in der Gesellschaft, in der politischen Großwetterlage des eigenen Landes nicht mehr wahr genommen werden. Dazu ein Beispiel: In einem kleinen Kreis mit Fraktionsmitgliedern/Vorsitzenden eines Bundeslandes haben einige Freunde und ich 2015 auf ein entstehendes Fake-Netzwerk aus der rechten Szene aufmerksam gemacht. Wir waren der Meinung, Leute, welche sich öffentlich dieses Netzwerkes bedienen würden, seien auch darauf anzusprechen und zu widerlegen. Wir behaupteten damals, das Wählersegment dieser ganzen Unzufriedenen-Bewegung sei bei 25% anzusiedeln, was natürlich politisch eine heikle Situation für Koalitionsbildungen nach Wahlen ergäbe. Mit Erstaunen nahmen wir zur Kenntnis: a) wir wurden nicht verstanden, das Vorhandensein eines Netzwerkes in der dargestellten Form wurde bezweifelt und b) die 25% wurden als Panikmache abgetan. Ende der Zusammenkunft. Das war 2015. Heute sind die Volksparteien mit folgendem Problem konfrontiert:

Politikerin S. setzt einen Hasstweed mit einer dubiosen Quelle ab, welcher innerhalb von zwei Stunden einige tausend mal geteilt  und von dort 10 000-fach Verbreitung findet. Die “Quelle” bezieht sich auf eine Quelle, welche eine andere Quelle zitiert, die aber ebenfalls nur auf eine andere Quelle verlinkt. Recherche ergibt (Vorfall ist 2 Jahre alt oder: Gab es gar nicht/ oder: Bild stammt aus völlig anderem Kontext usw.usw.)  Zwei Stunden nach dem Post der Politikerin widerlegt ein Redaktionsnetzwerk den Beitrag in der Sache. Unwichtig: Die Fake-News hat inzwischen eine Reichweite von über 200 000 Lesern und teilt sich noch tagelang weiter. Das war das Ziel: Die tägliche Portion Empörung gib uns heute… Diese Methode kommt wöchentlich mehrmals zum Einsatz. Oder: Ein Blick in G+-Communities gefällig? Suchwort Merkel.  Das sind die Feinverteiler.  
Demgegenüber wirken in den Sozialen Netzwerken die Bilder strahlender Politiker von Volksparteien in der Landtagssession, im Bundestag einfach nur  peinlich und sind Ausdruck einer Hilflosigkeit im Buhlen um öffentliche Wahrnehmung. Aber Wähler werden damit nicht überzeugt.

Infight statt Angstmache!

Wenn ich, als keiner Partei verpflichteter Leser, heute in tweets von Politikern und ihren Anhängern das Heraufbeschwören von 1931-er Verhältnissen lese, dann schlucke ich leer. Genau so geht es mir mit dem bevorstehenden “Untergang Deutschlands”. Alles Rattenfänger! Beide Nachrichten füttern ein klar abgegrenztes Zielpublikum, welches dieses Szenario aufnimmt und weiter verbreitet. Tatsache ist: Weder geht Deutschland unter noch haben wir Verhältnisse, welche ein 1931 möglich machen würden. Anstatt dies nun ernsthaft von Angesicht zu Angesicht zu debattieren, führt man einen Grabenkrieg und beschießt sich seit Monaten und Jahren mit diesen Themenblasen.
Wozu haben wir privatrechtliche und öffentlichrechtliche Medien, in denen die Spitzenpolitiker aller im Parlament vertretenen Parteien monatlich einmal zu konkreten Themen zusammenkommen und sich öffentlich positionieren können/müssen? Straffe Gesprächsführung, abgezirkelte Redezeit, kein Publikum als Claqeure. Politische Auseinandersetzung auf höchster Ebene mit dem Ziel der Information und Meinungsbildung für die interessierte Bevölkerung. Hier kann man dem politischen Gegner auf den Zahn fühlen und: Soviel Zeit muss sein! Das sind alle Parteien ihren jetzigen und künftigen Wählern schuldig. Hohe Einschaltquoten garantiert! Gesprächsverweigerung bedeutet Imageschaden in aller Öffentlichkeit! Damit wird gleichzeitig den Fake-Streams die Nahrung entzogen. Deren Berechtigung und Erfolg gründet nämlich einzig und alleine auf dem beharrlichen Schweigen der wirklichen Entscheidungsträger.

DAS ist doch die Grundlage schlechthin für Bürgerinnen und Bürger, sich zu Parteien und dem politischen Alltag überhaupt eine Meinung zu bilden. Dialog, auch harte Diskussion um Positionen sind dabei die Grundlagen.

Politisches Aussitzen wurde in den letzten Jahren ausreichend geübt - wohin es geführt hat, sehen wir heute.

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