Ich möchte jetzt eine Lern- und
Lehrform umreissen, welche auf den ersten Blick völlig realitätsfremd und nicht
realisierbar erscheint, bei genauerem Hinschauen jedoch objektiv unbestreitbare
Vorzüge hat. Diese wurden immer wieder
mit dem Argument „zu teuer“ vom Tische
gewischt, ohne weiter darauf einzugehen.
Stattdessen hat man Alternativen
entwickelt, welche in ihrer Gesamtheit viel teurer sind, und da man dafür vielfach einen anderen Kostenträger
gefunden hat, macht die Schule bereitwillig mit.
Weg vom 1-Lehrer-Denken, hin zum Klassen- Lehrerteam
Es ist nirgendwo begründet,
weshalb die Lehrform „ein Lehrer eine
Schulklasse“ effizient sein soll. Das war einfach schon immer so und trotz
Fachlehrern, methodischen Reformen, neuen Lehrmitteln etc. hat sich an diesem
Dogma so gut wie nichts geändert. Dabei gibt es gerade heute viele Argumente,
diese alte Struktur aufzulösen, denn:
· - Wenn Schule kritisiert wird, ist meistens die
einzelne Lehrkraft gemeint
· - Klassenprobleme entstehen vielfach auf Grund einer
akuten Lehrer- /Schüler-Problematik.
· - Neue Lehr- und Lernformen lassen
Frontalunterricht und kollektives, verordnetes Lernen als ein Überbleibsel aus
einer andern Zeit erscheinen, dank dem
Dogma „eine Lehrkraft-eine Klasse“ lässt sich dies jedoch weiterhin als
„Methode“ begründen. Diese Argumentation ist in erster Linie organisatorisch
begründet und dient der Klasse überhaupt nicht.
· - Die gegenwärtige Struktur schafft laufend
Situationen Aussage gegen Aussage, wenn es wirklich zu Konflikten kommt.
Optimale Voraussetzungen für Mobbing, von welcher Seite auch immer.
· - Das Klassenlehrerprofil wird zum Teamprofil und
ist lerntechnisch für die Klasse klar das erfolgreichere Modell.
· - In den letzten Jahren wurden diverse Sonderschulstufen
ersatzlos aufgelöst und die dortigen Schüler unter dem Schlagwort integrative
Schule in die Standardklassen überführt, ohne diese personell entsprechend
auszustatten. Das war also in erster Linie eine Sparmassnahme zu Lasten der
Regelklassen und Lehrkräfte.
· - Wenn die „Chemie“ zwischen einer einzelnen Lehrkraft
und einzelnen Schülern nicht stimmt, wird das durch das Team aufgefangen. Somit
verlieren personifizierte Konflikte ihre Sprengkraft.
· - Die Zusammensetzung des Teams ermöglicht es, den
Grossteil der Sonderstunden innerhalb der Klasse abzuwickeln.(Mit dem „
Klassenraum von morgen“ werde ich mich im nächsten Kapitel ausführlich
beschäftigen, denn auch darüber muss gesprochen werden)
· - Organisatorisch kann mit diesem Modell wieder
sehr autonom geplant werden, ohne dauernd an stundenplantechnischen Engpässe zu
scheitern. Vor allem für Projektunterricht ein riesiger Gewinn.
Wie könnte ein
solches Team zusammengesetzt sein?
a 1. Klassenverantwortliche Lehrkraft mit mindestens
80% Pensum
b 2. Lehrkraft, welche die fehlenden Module
ergänzt mit ca. 60% Pensum
3 3.Lehrkraft mit Sonder- oder
Förderlehrerausbildung mit ca. 60% Pensum.
Somit wäre also eine Normalklasse der Grundschule auf 200
Stellenprozent ausgelegt. Dies gewährleistet, dass mit Ausnahme von ganz wenigen
Lektionen mindestens zwei Lehrkräfte im Klassenzimmer
anwesend sind.
Wichtig bei diesem Modell ist, dass eine Person ganz klar
die Klassenverantwortung gegen aussen trägt. Dies umfasst, Verwaltung,
Unterrichtsplanung, Vorbereitung (unter Einbezug des Teams) von Elterngesprächen, Organisation und
Abrechnung Klassenprojekte und Lager.
Eine neue Unterrichtsqualität
Mit diesem Lehrer-Team-Modell entsteht in den Schulstufen 1
– 6 eine völlig neue Unterrichtsqualität. Dazu einige Beispiele:
· - Nicht jede von mir als Lehrkraft gehaltene
Einführungslektion ist von Grund auf schlüssig und für jeden Schüler
nachvollziehbar. Diese Kontrolle ist durch ein Team besser gewährleistet, neuer
Stoff wird durch eine zweite Lehrperson bei Bedarf nochmals eingeführt und
vertieft.
· - Ganz neu für die Klasse: Das Team kann
anlässlich einer Einführungslektion vor der Klasse kurz diskutieren, ob man
noch mehr Stoff aufpacken will oder nicht, ob man dies der Klasse zumutet oder
nicht usw. Genauso bei Übungslektionen,
kurzes Feedback des Teams an die Klasse. Das kriegt eine ganz besondere
Qualität.
· - Reine Übungslektionen verlaufen bedeutend
intensiver, individueller und effizienter, da dauernd Kontrolle da ist. Wieder
besteht die Möglichkeit, schwächere Schüler nochmals individuell in das Thema
einzuführen. Dank drei Lehrkräften ist dies möglich.
· - Lese- und Rechtschreibschwächen, Diskalkulie,
andere Lerndefizite werden schneller erkannt und im Klassenzimmer mit den entsprechenden
Massnahmen unkompliziert und ohne weiteres Aufsehen angegangen, indem
qualifiziertes Personal die Schüler bereits in der Übungsphase unterstützt.
· - Die Chance, dass in diesen Klassen ein wirkliches Wir-Gefühl, auch von Seiten der
Lehrkräfte, aufkommt, ist gross. Damit entsteht ein neues Lehr- und Lernklima.
· - Von den unterschiedlichen Fähigkeiten und
persönlichen Vorlieben der Team-Lehrkräfte kann die Klasse nur profitieren,
wird Lernen bunter und nachhaltiger.
· - Die Lehrkräfte sind neu gefordert, durchbrechen
die Isolation im Klassenzimmer und können als Team eine ungeahnte Dynamik
entwickeln. Zweifellos ist dies eine grosse Herausforderung, denn bisher waren
Lehrkräfte doch vorwiegend Einzelkämpfe im Klassenzimmer.
· - Das enge Stundenplankorsett entfällt, da die
meisten Fachlehrer bereits im Klassenzimmer vorhanden sind. Es gibt folglich
pro Woche noch maximal zwei Tage, welche durch „Auswärtsstunden“ belastet sind. Ansonsten kann man mit offenen
Stundenplänen und der gesamten Klasse arbeiten.
Nicht finanzierbar !
– Doch, ganz klar finanzierbar !
Rückblende: Was wurde noch vor 15 Jahren sondergeschult! Diese
Konzepte bauten auf psychologisch/psychiatrischen Erkenntnissen auf, welche man
wissenschaftlich nannte. Das alles wurde dann ab Mitte der 90-er Jahre im Zuge der
Integration weggewischt. Sonderschulung bedeutete Diskriminierung etc. Tatsächlich
wurde jedoch vor allem an der Schule gespart, denn: Das, was eine Regelklasse nun
zusätzlich aufzufangen hatte, wurde in der Personalplanung nicht entsprechend
aufgestockt. Weiterhin eine Lehrkraft und wenn es gut ging eine zweite
Lehrkraft für 8 oder 10 Lektionen. Das kann es nicht sein.
Stattdessen hat man nun Schulsozialarbeit, schulische
Sozialpädagogen und je nach Auffälligkeit von Kindern Schulpsychologische
Dienste. Flankierende Dienste, nannte man dies. Hier werden Abklärungen getroffen und mögliche
Massnahmen angeordnet. Diese sind therapeutischer Natur, können auch
Fördermassnahmen beinhalten und umfassen üblicherweise eine Wochenstunde. Je nach Diagnose sind diese Kosten nicht durch
die Schule, sondern durch Versicherungen zu tragen und damit beginnt der Unfug:
Kinder mit ADS gelten heute praktisch als krank und werden über die
Krankenkasse finanziert und therapiert. Diskalkulie
und Legasthenie lassen sich mit einem entsprechenden Attest als Spätfolge von
Geburtskomplikationen oder Entwicklungsstörung und demzufolge Krankheit beschreiben. Deren Behandlung
lässt sich dann vielfach über die Versicherung abwickeln. Oder schon vergessen? POS, DAS
undefinierte Krankheitsbild schlechthin aus den 80-er und 90-er Jahren. Wir haben tief geschätzte 20 – 30% „kranke“
Kinder in unserer Normalklasse, deren Behandlung in Form einer Wochenstunde
durch Spezialisten ausserhalb der Schule und vielfach ohne das Schul-Budget zu
belasten, erfolgt. Ein völliger Unsinn!!!
Nur schon die Kosten dieser Massnahmen amortisieren bereits
die 60%-Stelle der Sonderpädagogin im Klassenzimmer. Diese wird hier jedoch bedeutend effizienter
arbeiten und dank Früherkennung manche Langzeittherapie gar nicht nötig
machen. Genauso schaut es aus mit der
zweiten 60%-Stelle. Wieviele Zusatzangebote im Bereiche Aufgabenhilfe bestehen
eigentlich in den Schulen? Auffangstunden, Förderhilfe, Aufgabenbetreuung in Kleinstgruppen oder in Form einer
Einzelstunde etc. Auch diese Massnahmen
sind vielfach durch Schulpsychologische Dienste angeordnet und teilweise durch
Kranken- oder Invalidenkasse (in der
Schweiz) finanziert. Neben der eigentlichen Schule ist hier also eine Struktur
entstanden, welche mit beachtlichen Geldflüssen rechnen kann, die aber der
Schule selbst fehlen. Grundkompetenzen
der Schule wurden ausgelagert und belasten dann den Alltag in dem Sinne wieder,
indem einzelne Kinder in bestimmten Lektionen wegen Therapien fehlen. Dieser Unsinn
sollte korrigiert werden, denn de facto ist hier eine ausserschulische Autorität
entstanden, ohne welche diese Massnahmen gar nicht mehr durchgeführt werden
können. Der schulische Alltag wird dadurch jedoch organisatorisch über Gebühr belastet. Ich plädiere deswegen dafür,
diese Thematik wieder in die Klassen zu integrieren. Die personelle Struktur
des Dreierteams vermag dies aufzufangen und dies erst noch effizienter und mit viel
grösserem Wirkungsradius.
Um diese neue Lehrform zum Tragen zu bringen sind zwei
Faktoren entscheidend und darauf werde ich in den kommenden beiden Beiträgen eingehen:
1.
Das neue Schulzimmer
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