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Ehre und Sold

Zwei Begriffe, mit denen ich persönlich bis heute meine liebe Mühe habe..

Sold steht für mich in enger Verbindung mit Militär, erinnert mich an meine Dienstzeit und das, was ich mir damals alles über die Geschichte der Schweiz, die Wehrhaftigkeit unserer Armee im zweiten Weltkrieg, dank derer es Hitler "nicht gewagt hat", unser Land zu überfallen, anzuhören hatte (auch wenn bereits damals bekannt war, dass es Faktoren wie heimliche Kooperation waren, welche die Schweiz vor diesem Kriege verschonten). Dafür, dass wir das alles über uns ergehen liessen und ideologisch gegen den Feind aus dem Osten fit gemacht wurden, kriegten wir Lohn, oder eben Sold. 5 Franken im Tag. Diese Grundausbildung und die in der Schweiz üblichen zwei- oder dreiwöchigen Wiederholungskurse alle zwei Jahre musste man als Pflicht am Vaterland  erbringen, egal in welcher beruflichen Situation man steckte. Der Sold war eine bescheidene Entschädigung, welche üblicherweise bei Besuchen in Wirtshäusern und Kantinen in Flüssiges und Kulinarisches umgewandelt wurde.

Der Begriff  Ehre wurde damals vor allem in dem Zusammenhang herangezogen, dass es eine "Ehre sei, dem Vaterland zu dienen" und Persönlichkeiten, welche sich durch besondere Verdienste hervorgetan hatten, wurden geehrt. Ehre  stand also auch in Verbindung mit erbrachter Leistung. Geehrt wurde in Vereinen, der Politik, der Gesellschaft generell.

Ehre und Sold standen jedoch in keiner unmittelbaren Beziehung.

Heute, 40 Jahre später,
erleben wir, dass sich der Begriff Ehre verändert hat. Ja, es kann eine Ehre sein, dem Vaterland zu dienen, man kann sich geehrt fühlen, auf eine bestimmte Position berufen zu werden. Im Namen der Ehre wird aber auch getötet, werden Kriege geführt. Und wieder werden die Leute unter dem Ehrenbegriff gesammelt, zum Töten ausgeschickt oder als Tote geehrt. Das passiert in der Familie, in Clans, in Regionen, zwischen Ländern. Heute verbindet sich mit dem Begriff Ehre durchaus eine fanatische Komponente, was uns die internationale Berichterstattung täglich vor Augen führt.

Trotzdem stehen Ehre und Sold in keinem unmittelbaren Zusammenhang.

Ausnahme Ehrensold

Hier wird jemand, der für seine aktive Dienstzeit bereits gut entschädigt worden ist, nochmals und zwar lebenslang mit einem jährlichen Pauschalbetrag , im Falle eines scheidenden Bundespräsidenten zusätzlich mit Büro, Dienstfahrzeug und persönlichem Sekretär, alimentiert. Dieser Anspruch ergibt sich praktisch mit der Wahl zum Bundespräsidenten und ist somit ein Anachronismus. Gut möglich, dass die Politik in den kommenden Monaten dieses Unding korrigiert. 

Wulff und Ehrensold

Eine entsprechende Gesetzesänderung wird klar mit dem Namen Wulff verbunden sein und sicherlich unter dem Eindruck der Diskussion, welche dieser Mann ausgelöst hat, stattfinden. Politiker und Umfragen zeigen überdeutlich, dass eigentlich niemand der Auffassung ist, Herrn Wulff stünde eine solche Abfindung zu. Trotzdem, zwei Leute im Bundespräsidialamt, einer davon langjähriger Wegbegleiter Wulffs, haben bereits Nägel mit Köpfen gemacht und diesen Ehrensold genehmigt. Somit ist die Sache für Herr Wulff gegessen. Die nun einsetzende politische Diskussion kann ihm egal sein. Er hat sein Schärfchen im Trockenen und komplettiert damit den Eindruck, der in den letzten Monaten von ihm entstanden ist.

Gesellschaftlicher  Super-Gau

Es geht in diesem Falle um mehr als die Tatsache, dass über Höhe von Abfindungen gestritten wird. In Zeiten, in denen  Hartz 4-Empfänger jeden Cent mehrmals umdrehen müssen, um eine Familie durchzubringen;  in denen Menschen ein Leben lang gearbeitet und nun den eigentlich mehr als erarbeiteteten "Ehrensold" in Form einer Rente kriegen, welche zum Leben nicht reicht; in diesen Zeiten ist das, was Herr Wulff für sich beansprucht, nicht mehr kommunizier- und vermittelbar. 

Während mehr als zwei Monaten konnte die gesamte Öffentlichkeit mitverfolgen, wie sich da ein Bundespräsident windet, immer mehr private Ungereimtheiten an die Öffentlichkeit gelangen und zum Schluss, als das Kartenhaus endgültig einzustürzen droht, die Reissleine zieht, nicht ohne die nächste Ungeheuerlichkeit anzuleiern. "Rücktritt aus politischen Gründen" und damit Anspruch auf Ehrensold. 

Wenn also ein Bundespräsident auf Grund bis heute nicht vollständig bekannter und aufgeklärter  Vermischung von Amt und Privatleben in Umfragen von 54% der Bevölkerung zum Rücktritt aufgefordert wird, nur noch gut 30% mit seiner Arbeit zufrieden sind,

wenn die Staatsanwaltschaft die Immunität des Bundespräsidentenwegen wegen des Verdachtes der Vermischung von Amt und Privatem aufzuheben droht, 

DANN tritt dieser Bundespräsident nach 20 Monaten Amtszeit "aus politischen Gründen" im Alter von 53 Jahren zurück und erhebt Anspruch auf  Ehrensold, kriegt diesen auch ungewöhnlich schnell zugebilligt. Es sind aber nicht enden wollende private Verstrickungen, welche diesen Bundespräsidenten untragbar gemacht haben und täglich kommen neue Beispiele an die Öffentlichkeit.

Herr Wulff, verzichten Sie auf Ehrensold !

Dieser Anspruch ist weder vermittel- noch nachvollziehbar. Er beleidigt sämtliche Amtsvorgänger und beschädigt erneut das Amt des Bundespräsidenten schwer, auch das Amt des Nachfolgers.

In schwierigen Zeiten ist dieser Anspruch gesellschaftlich ein weiteres Indiz, dass eben Ideen wie Solidarität, wie leistungsgerechter Lohn, wie Kampf den überbordenden Managerlöhnen, welche Politiker so gerne verwenden, wenn sie dem Volke Nähe zeigen wollen, dann über Bord geworfen werden, wenn man selbst einen fetten Happen an Land zu ziehen gedenkt... Dieser Anspruch auf Ehrensold zementiert das und belastet den Politikbetrieb und die Gesellschaft.

Ehrensold verordnen, widerspricht dem Sinn dieser Einrichtung, einfordern ebenso.

Wie will ein "Mann des Volkes" einem Hartz 4 - Empfänger erklären, weshalb er neben seinen anderen Rentenbezügen für eine 20-monatige Tätigkeit einen Sold (das Wort Ehre vermeide ich hier bewusst) auf Staatskosten bezieht, dessen Tagesansatz 1,62 mal höher ist, als ein Hartz 4-Monatseinkommen ? 

Wozu braucht dieser zurückgetretene Bundespräsident Dienstfahrzeug, Chauffeur, Büro und Sekretär auf Staatskosten und lebenslang? Wozu? Nein, das kann nicht sein!

Das Gesetz lässt es jedoch zu. Genau so, wie es keine unmittelbare Handhabe gibt, einen Bundespräsidenten  abzulösen, wenn er untragbar geworden ist. Nein, dann appelliert man an die Ehre des Mannes und den  Respekt vor dem Amte, versucht ihm zuzureden. Absetzen jedoch kann man ihn im Normalfall nicht.

Es gibt also gesellschaftlich, politisch, moralisch und ethisch  keinen Anspruch auf diesen Ehrensold. Der Sold wurde bereits bezogen und mit der Ehre ist es so eine Sache.... Ein juristisch fragwürdiger Winkelzug, um dies trotzdem geltend machen zu können, macht die Sache nur noch schlimmer. Da es sich beim Handelnden um einen Bundespräsidenten und nicht um einen der so oft gescholtenen Spitzenmanager oder -banker handelt, wird nicht mehr und nicht weniger zementiert, als dass heute Seilschaften und der Versuch persönlicher  Vorteilsnahme als neue Werte gesellschaftlichen Zusammenlebens zu betrachten sind. Dafür kriegen heute gewisse Leute Ehrensold, während eine Angestellte, welche zwei Brötchen nach Hause nimmt, fristlo entlassen werden kann....DAS wird damit gesagt!

Wir haben während Jahren über Berlusconi gelacht, uns über Sarkozy amüsiert, hatten einen Guttenberg, nun also auch Wulff. Die Aufzählung ist nicht zufällig. Es geht hier keineswegs um ein nationales Problem. Vielmehr zeigt sich, dass immer mehr Menschen in höheren Positionen Dinge für sich in Anspruch nehmen, welche sie anderen so niemals zugestehen würden. Anders gesagt: Die Gesellschaft spaltet sich in Eliten und Diener.  Nichts Neues, hatten wir doch schon immer?  Nicht ganz, denn zumindest seit 70 Jahren wollen uns genau die politischen Eliten ja weis machen, genau dieses Modell bestehe nicht mehr. Heute zähle Solidarität usw. usw. 

Damit beginnt die Unglaubwürdigkeit und daran vermögen weder Integrationsreden noch Weihnachtsansprachen was zu ändern. 

Lösen kann dieses aktuelle Dilemma nur Herr Wulff.


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